Ich bin ein Kind des „Potts“. Geboren am 5.9.1987 im Herzen des Ruhrgebiets. In Dortmund. Und wie viele andere, die im Ruhrgebiet groß geworden sind, durfte auch ich manch einer Geschichte lauschen, die sich unter Tage abgespielt hat.
Schließlich war das Thema fester Bestandteil des Sachunterrichts. Denn der Bergbau war nicht nur Arbeitsplatz für viele Menschen, er war auch ein prägendes Merkmal für eine ganze Region. Eine Region, die aus den Geschichten unter Tage Kraft schöpfte und womit die Menschen der Region sich ihren typischen Charakter verschafften.
Der direkte Kumpeltyp kam zwar nicht mit jedem klar und nicht jeder mit ihm. Doch das war und ist ihm ziemlich egal. Schließlich hat man ja seine Kumpel um sich herum.
„Jetzt is Schicht im Schacht!“
Mit dem heutigen Tag ging nicht nur eine Ära zu Ende, sondern es wurden auch viele Geschichten wieder nach oben gespült.
Ganz besonders prägend für mich war die Geschichte des jungen Pitt.
Pitt, der unter Tage im „Pütt“ von seinen Kumpeln so genannte wurde, war nach dem zweiten Weltkrieg zum Bergbau gekommen. Viele jüngere Männer befanden sich in Kriegsgefangenschaft und die in den Ruhrzeichen eingesetzten Zwangsarbeiter verließen das Land. Die Belegschaft belief sich im Jahr 1945 auf 276.192 Mann und der Ruhrbergbau wurde von der Britischen Besatzungsmacht geleitet. Keine einfache, doch trotzdem eine prägende Zeit.
Der Zusammenhalt, egal wer neben einem stand, war das, was die Kumpel verband. Unter-, als auch Übertage war man ein Team. Schließlich war man auf sich angewiesen, wenn es im Stollen zur Sache ging.
„Die Kumpel hinter Dir waren deine Augen in der Dunkelheit“
Für Pitt war es eine Zeit, aus der er viel für sein weiteres Leben mitnahm. Nicht nur Narben und schlechte Träume, sondern vor allem auch Demut und Achtsamkeit.
„Wenn du nicht aufgepasst hast oder deine Kumpel auf dich Acht gegeben haben, konntest du gleich da unten bleiben“
Nach seiner Zeit im Bergbau arbeitete Pitt bis zu seiner Rente bei Hoesch auf Phönix West. Viele kennen heute nur noch den Phönix-See. Eine schöne Wohngegend und einen See, zu dem die Dortmunder vor allem bei Sonnenschein rausfahren. Umgeben von einer alten „Arbeiterwohnsiedlung“, die zu großen Teilen den neuen Bauten weichen musste.
„Nicht schick genug“
Schließlich sollte dieser Ort in Hörde zum Vorzeigeort mutieren.
Wie es sich für einen Bergmann und Stahlarbeiter gehörte ging Pitt, vor allem in späteren Jahren auch einigen Hobbies nach. Er war im Gesangsverein, wo sie einmal die Woche in der Dorfschänke alte Lieder schmetterten. Er ging in seinen Schrebergarten, wo er Gemüse anbaute. Oder besuchte die Enkel beim „pölen“ auf´m Ascheplatz.
Der Tag hatte seine festen Rituale. So wie es immer war.
Morgens Stulle, Mittags Knifte, Abends Bütterken.
Für Pitt war es trotz aller Herausforderungen und Anstrengungen eine schöne Zeit. Eine Zeit, in der er immer lernbereit war und sich so neuen Herausforderungen stellen konnte. Als es in die letzten Jahre seines Lebens ging, teilte Pitt seinem Umfeld immer wieder Erkenntnisse seines Lebens mit.
„Um Dinge zu verändern, brauchst du eine eine Haltung. Sonst packt keiner mit an…“
Mich begleiten sie noch heute.
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- Sei dir bewusst über deine Fähigkeiten. Vertraust du dir selber nicht, tut es auch kein anderer.
- Sei mutig, um den nächsten Schritt zu gehen. Nur so kannst du lernen.
- Sei offen für Neues und deine Mitmenschen.
- Sei achtsam und nimm dein Umfeld an.
- Sei dankbar für das, was dir ermöglicht wurde.
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Lieber Opa „Pitt“
Für mich warst Du nicht nur ein Vorbild, Du bist es noch Heute. Zu gerne würde ich mit dem heutigen Wissen noch einmal eine Woche mit Dir verbringen. Über die Dinge reden, die du erlebt hast.
Ein Tag wie Heute erinnert mich ganz besonders an Dich. An unsere Zeit, die wir gemeinsam auf dem Balkon verbrachten, uns vom Büdchen im Stundentakt Eis holten.
Ich bin sehr dankbar für die Zeit, die ich mit Dir verbringen durfte und in der ich viel von dir und deiner Arbeit erfahren habe.
Ich bin dankbar dafür, von Tag zu Tag besser zu verstehen, was du immer mit dieser „Haltung“ meintest. Es ist halt weitaus mehr, als nur die Brust rauszustrecken.
Du warst nicht nur ein Malocher, sondern ein wahrer Kumpel. So wie deine Freunde und Brüder im Geiste, die eine ganze Region geprägt haben.